Tatsache, auch wenns eigentlich ein Widerspruch insich ist. Einer meiner frühesten, und damit wichtigsten Gamechanger meines Lebens, habe ich in meinem letzten Artikel tatsächlich vergessen… Eigenhumor, Selbstironie oder simpel: Nimm dich selbst nicht zu ernst!

Wie ja schon zu lesen war, bin ich nicht unbedingt so erzogen worden, als dass sich mein Selbstwert und Selbstbewusstsein sinnvoll entwickeln konnten. Im Gegenteil… da wurde eher draufgetreten. Insofern ist es auch kein Wunder, dass es mir damals echt schwergefallen ist, der Ironie von anderen, die auf die eigenen Schwächen drückt, mit Humor zu begegnen. Lange Jahre war es gefühltes, regelmäßiges Verarschtwerden, vollkommen egal, obs tatsächlich so war oder doch nur spitzer Humor, wo dann niemand die heftige Reaktion drauf verstand.

Ein Spitzname wurde zunächst zu einer Dauerhölle

Die Krone dieses teilweise gewohnten Umgangs kam irgendwann in der Jungen Gesellschaft (dörfliche Vereinigung ab 16, für Schützenfeste, u.ä., im Wesentlichen Saufgemeinschaft) auf. Ich bekam den Spitznamen „Steve Urkel“, von dem ich zumindest zu Beginn nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wer oder was diese Figur ist. Ich wusste damals nur, dass es mies war. Irgendwann klärte mich jemand grob auf und ich sah mir dann mal eine Folge „Alle unter einem Dach“ an.

Ich sah zwar nicht wirklich viele Gemeinsamkeiten, aber durch meine zeitweilige Tollpatschigkeit, meine Brille und meine gefühlte Unattraktivität, war mir der überzogene Bezug danach zumindest klar. Mit „Stephan“ erkannte ich jedenfalls deutlich weniger Gemeinsamkeiten, auch wenn es quasi dieselbe Person ist. Mit jedem Ruf nach Steve gab es jedenfalls einen Stich! Ich konnte den Namen nicht ab und irgendwann auch nicht mehr hören…

Karneval 1998 und ALLES änderte sich

Ich weiß nicht mehr, was mich innerlich geritten hat oder wie die Idee genau entstanden ist… Jedenfalls überkam mich etwa eine Woche vor der Karnevals-Disco der Jungen Gesellschaft – wo immerhin das ganze Dorf vertreten war – die Idee zu einem Kostüm, das definitiv niemand anderes wählen würde. Ich verriet auch niemandem, was ich vorhatte. Meine Oma gab mir ein paar Hosenträger von meinem Opa. Irgendwo habe ich eine dunkelbraune Cordhose und ein helles, kariertes Hemd besorgt. Schwarze Karnevalsfarbe gab es bei Karstadt.

Ein Abend, 2 Momente – Gamechanger fürs Leben

Als ich an dem Abend zu der Party ging, kam ich in die dörfliche Gaststätte… auf den ersten Metern bis zum Saal schien mich niemand wirklich zu erkennen. Aber es waren bis dahin auch nur einzelne Leute. Im Saal angekommen, war noch nicht viel los, aber einige waren schon da. Es waren so grob 30 – 40 Leute verteilt. Von der JGZ waren die meisten schon da, standen rechts mittig beieinander.

Ich blieb nach dem ersten Meter stehen, stellte mich im Urkelstyle leicht breitbeinig hin, grunzte und fing an schräg zu kichern. 😀 Die Blicke gingen alle in meine Richtung, erst etwas irritiert und plötzlich riefen alle „Heeeyyyyy…. Steeeeevveeeee!!“ …. „Wie geil ist DAS denn!!!???“ Plötzlich wurde ich gefeiert, für mein Kostüm und dafür so sportlich mit dem Spitznamen umzugehen, von dem eigentlich alle wussten, dass ich ihn nicht mochte… geradezu hasste!

Später am Abend, im hinteren Raum, wurde ich in die Gruppe integriert, wie es bisher kaum kannte… ich wurde hochgelebt und kurz von der Truppe auf Händen getragen! Ab dem Tag wurde ich den Spitznamen in der Gruppe natürlich erst recht nicht mehr los… aber ab diesem Zeitpunkt war es für alle eine humorvolle, nette Assoziation, während es vorher oft eher mies, manchmal sogar boshaft war. Ich hatte dem Spitznamen, den Leuten und vor allem mir selbst jeglichen Druck und Energie genommen und alles hat sich entspannt. Mit der Energie löste sich das Problem in Luft auf!

Die innere Frage „Warum immer ich!?“

Auch nach der Zeit war natürlich nicht immer alles einfach. Es gab auch danach hier und da Verarschungen, und trotzdem begann für mich ein immenser Wandel. Irgendwie fiel es mir ab diesem Zeitpunkt immens leichter selbst Witze über meine eigenen Missgeschicke zu machen. Und damit auch Witze von anderen über mich nicht mehr so an mich heran zu lassen. So empfand ich nicht mehr jeden „Angriff“ sofort als persönlichen Angriff. All das ironisch-freche Miteinander, jeder mal eben gerissene Witz, konnten mir immer weniger anhaben. Und mit dem lockeren Umgang und wachsender Schlagfertigkeit, wuchs auch immer mehr die Sympathie mir gegenüber.

Als ich 2009 nach The Secret mein gesamtes, vorheriges Leben reflektierte und mich fragte, wann ich in welchen Situationen was gedacht und gefühlt hatte und wie mir wann was wo passiert ist, wurde mir irgendwann klar, dass andere seinerzeit gar nicht anders konnten, als mir immer wieder aufzuzeigen wie unentspannt ich war. Nicht, weil ich wirklich sch**** war, sondern weil ich es selbst von mir dachte. Heute würde ich es als Spiegel beschreiben. Das Ergebnis ist in diesem Fall dasselbe.

Nimm dich selbst nicht zu ernst

Auch heute erlebe ich solche Abläufe immer und immer wieder, allerdings fast nur noch bei anderen. Je dogmatischer jemand unterwegs ist und versucht andere Menschen von der eigenen Sichtweise zu überzeugen, desto heftiger ist die Abwehr, wenn jemand nicht derselben Ansicht ist – vollkommen egal worum es geht. Oft mündet sowas in Aggression und der Abstand vergrößert sich nur, weil die Abwehrhaltung auch vorhandene Offenheit killt.

Selbst heute habe ich noch vereinzelt solche Momente, in denen ich mich in das Gefühl von früher zurückversetzt fühle. Doch das ist so unglaublich selten geworden! In dieser Veränderung habe ich auch unglaublich an Schlagfertigkeit gewonnen. So trauen sich manche auch gar nicht mehr, wenn sie einmal mitbekommen haben, was ich optional zurückpfeffern kann… oder viel besser, deren Angriff schon im Anflug verpufft. In der Entspannung damit lag und liegt so unheimlich viel Geschenk!

In den meisten Fällen bräuchte es nur die Wahrnehmung, dass man eben unterschiedliche Blickwinkel hat. Dabei sich selbst bzw. die eigene Sichtweise nicht zu wichtig nehmen. Und schon tritt sehr häufig Entspannung ein oder es bleibt schlichtweg entspannt. Nimm gleichzeitig die Wertung raus (damit die innere verbundene Geschichte) und es entspannt sich noch mehr!

That’s it – Es ist simpel, nur nicht immer einfach.

Klar… Natürlich bin ich das auch beileibe nicht überall und schon gar nicht immer. Entspannung bei Themen wie Straßenverkehr (z.B. Nichtblinker, Mittelspurfahrer…) oder beim Einkaufen (z.B. Nestlé-Produkte) oder auch in Sachen Politik (völliges Fehlen von gesundem Menschenverstand und Herz (aus meiner Sicht)), scheinen in mir derzeit noch unmöglich. Wer weiß, wann sich das mal wie ändert! Aber ich genieße meine Gelassenheit in so vielen Bereichen des Alltags. Mein Leben ist da echt angenehm geworden!

Nun habe ich diese kurze Geschichte, die ich echt überhaupt nicht präsent hatte, obwohl ich sie neulich erst erzählt habe, noch nachgereicht. Definitiv einer der wichtigsten Gamechanger meines Lebens!